Jupiter lädt zum Herrenabend in den „God’s Club“. Der Butler stellt die Gäste vor: Allah, Buddha, Wotan, Jehova und Jesus. Ernst und mit überirdischem Strahlen um die Häupter treten sie ein. Kaum ist der Butler weg, freuen sich die Herren über das Wiedersehen wie kleine Kinder, lassen die Champagnerkorken knallen, rauchen und treiben derbe Spässe.
Der göttliche Herrenabend endet damit, dass sich die Nachbarn von unten, die Menschen, über den Lärm beschweren. Die zwölfseitige, über- und abgedrehte Comic-Geschichte von Marcel Gotlib (der heisst wirklich so) erschien 1973 in hoher Auflage in einem französischen Magazin. Meines Wissens hat es damals keine Proteste gegeben.
33 Jahre später reibt man sich die Augen: Der inzwischen so genannte „Karikaturen-Kampf“ hat in Asien und Afrika bereits mehrere Todesopfer gefordert. Den Auslöser, die zwölf gezeichneten „Gesichter Mohammeds“ in der dänischen Zeitung, zeigt „Der Spiegel“ auf genau 5,8 x 8,2 cm. Die einzige Karikatur, die etwas vergrössert und deshalb erkennbar ist, zeigt Mohammed auf einer Wolke, wie er ankommende Märtyrer aufhält: „Stopp, die Jungfrauen sind ausgegangen“. Der Witz mit den Jungfrauen ist so alt, dass ich ihn schon auf CD habe (Dieter Nuhr 2004).
Alle haben etwas zu den Zeichnungen zu sagen, zu schrei(b)en oder zu (p)rüge(l)n. Und die Macher, die Karikaturisten? Die wollten wohlweislich anonym bleiben. Jetzt, wo von verschiedener Seite ein Kopfgeld auf sie ausgesetzt ist, sowieso. Deshalb lässt „Der Spiegel“ einen Stellvertreter zu Wort kommen: Den Österreicher Gerhard Haderer. Vor einigen Jahren hat sein Band „Das Leben des Jesus“ viel Aufregung, Strafanzeigen und eine Bombendrohung provoziert.
Haderer hält die Aktion der dänischen Zeitung für eine „Schnapsidee“. Anders als im Falle Mohammeds habe er sich bei der Darstellung von Jesus Christus auf eine jahrhundertealte Tradition bezogen. Ausserdem sei es selbstverständlich, dass die Auseinandersetzung mit Religionen ein hohes Mass an Sensibilität voraussetze. Dem Vorwurf, den Dänen mangle es an Respekt, begegnet Haderer damit, dass Respektlosigkeit die Basis von Karikatur und satirischer Meinungsäusserung sei.
Ich bewundere die Fähigkeit und die Kühnheit der Karikaturisten, komplexe Sachverhalte auf ein einziges Bild zu bringen. Über ihre Arbeit habe ich schon lange, kontroverse Diskussionen mit Zeichnern, Verlegern, Schreibern geführt. Einig ist man sich schnell im Grundsatz, dass eine Zeichnung professionell und stimmig gemacht sein muss. Was das im satirischen Einzelfall bedeutet, darüber lässt sich abendfüllend streiten.
Aber welches ist die Haltung, die Vision hinter dem Bild? Da halte ich es mit dem Aufklärer Voltaire, der in der gegenwärtigen Diskussion ein bemerkenswertes Revival hat: „Immer hämisch grinsend auf dem Weg der Wahrheit gehen“ (Marcher toujours en ricanant sur le chemin de la vérité). Die Grenzen der Häme sind im aufgeklärten Staat gleichzeitig sehr persönlich und allgemein verbindlich: der Geschmack von Macher und Verbreiter und das Gesetz.
Mohammed ist übrigens unterdessen auch Mitglied in Gotlibs „God’s Club“. Das Karikaturen-Getöse in der Menschen-Wohnung unter ihnen ist beliebter Gesprächsgegenstand im fidelen Club. Mohammed ist derjenige, der am meisten darüber lacht.
Markus Kirchhofer, Lehrer und Autor aus Oberkulm, hat mit verschiedenen Zeichnern zusammengearbeitet.