Von der Dorfstrasse deutet nichts am alten Schulhaus auf ein Kleintheater hin. Um die Ecke des Gebäudes zwei Wegweiser: „Brocki – Gemeinnütziger Frauenverein Schöftland“, darunter „Härdöpfuchäuer“. Vorbei am Restaurant „Bahnhöfli“ erreiche ich den Parkplatz vor dem neueren Schulhaus. Zwischen Brunnen und Winter-Linde leuchtet der frische, rote Schriftzug über der Treppe: härdöpfuchäuer.
Am Fuss der Treppe werde ich empfangen. Durch die massive Holztüre treten wir in den dunklen Gewölbekeller. Nach dem Drehen des Hauptschalters erstrahlen Wände, Deckengewölbe, Bar und Kasse ochsenblutrot, hellgrau und anthrazitfarben. Der Umbau ist fast fertig. Nach 51 Saisons ging diesen Frühling erstmals kein Programm über die Kleintheaterbühne.
Christoph Müller, der einzige, der alle Härdöpfuchäuer-Programme mit einem geschätzten dreiviertel Tausend Veranstaltungen mitgestaltet hat, weiss, woher der Name stammt: Während des Zweiten Weltkrieges wurde der Keller mit Kartoffeln für die Anbauschlacht munitioniert. Die Mundart-Schreibweise, mit den ortsüblich vokalisierten L, wird auf der umlautlosen Homepage-Adresse www.haerdoepfuchaeuer.ch zum rekordverdächtigen Vokal-Exzess. Danach diente der Raum als Kohlenkeller, in den Siebzigerjahren als Disko.
Mit spitzen Fingern klauben wir das laminierte erste Saisonplakat aus einer Ecke des Büros, das sich ebenfalls im tageslichtarmen Untergeschoss befindet. Am 30. August 1980 eröffnete der Strassenmusiker Read Bertolette das erste Kulturprogramm im Härdöpfuchäuer. Es umfasste 16 Veranstaltungen, darunter sechs Lesungen mit Peter Bichsel, Silvio Blatter, Hermann Burger, Urs Faes, Klaus Merz und Joseph Villiger.
Das Kulturprogramm „Z’Schöftle am föifi“ etablierte sich unter Führung eines inzwischen verstorbenen Bezirksschullehrers, der uns Teenager mit der Vision von sinnstiftender, horizonterweiternder Freizeitbetätigung begeisterte. Der Härdöpfuchäuer war der Ort, um den unsere Wochenendgestaltung kreiste: Jeden zweiten Freitagabend Sitzung, jeden dritten Samstagnachmittag „Dienst“ in einer der drei alternierenden Veranstaltungsgruppen, am Samstag um fünf Uhr die Kulturveranstaltung selber, am Abend Disko.
Wir suchten die kreativen Möglichkeiten pseudo-basisdemokratischen Arbeitens und stiessen dabei an organisatorische und nervliche Grenzen. Für Ausstellungen, grössere Konzerte und Festivals fanden wir Räume in Restaurants, Schulen, Kirchgemeindehäusern und Kirchen des Dorfes. Bei der Mittelbeschaffung orientierten wir uns vor allem kantonal, bei der Programmgestaltung auch national und international.
In einer Kiste liegen gerahmte Schwarzweissfotos von Künstlern, die sich hier auf ihren Auftritt vorbereiteten. Das Büro des Kleintheaters ist gleichzeitig Künstlergarderobe. Unvergesslich, wie Franz Hohler die Ortsnamen auf seiner Bahnfahrt nach Schöftland zu einer tierischen Cabaretnummer ausbaute: Entfelden, Muhen, Hirschthal. Etliche auf den vergilbenden Fotos sind inzwischen tot: J.R. von Salis, André Kaminski, Ephraim Kishon, Niklaus Meienberg, Golo Mann, Sergius Golowin. In ihren Büchern, die neben der Kiste stehen, leben sie weiter.
Diese Woche wird der Umbau des Härdöpfuchäuers Schöftland fertig. Am 2. September ist „Tag der offenen Tür“, eine Woche später beginnt das 52. Saisonprogramm. Hingehen, unbedingt!
Markus Kirchhofer, Lehrer und Autor aus Oberkulm, war als Gründungsmitglied des „Härdöpfuchäuers“ acht Jahre lang ein „Härdöpfu“.